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Navigieren von Autos im Tunnel und in Häuserschluchten: mathematische Verfahren zur robusten Positionierung

In einer Welt, in der autonome Fahrzeuge und präzise Navigation immer wichtiger werden, präsentierte Dr. David Becker, CEO des Start-ups AlgoNav, im Forschungskolloquium des Fachbereichs Informatik innovative Ansätze seines Unternehmens zur Multi-Sensor-Positionierung auf Basis eines Kalman-Filters. Durch besondere Methoden der robusten Parameterschätzung kann unter widrigsten Bedingungen, wie in Häuserschluchten oder in Tunneln, die Robustheit der Positionierung deutlich erhöht werden. Sein Vortrag stand unter dem Titel "IMU/GNSS Tightly Coupling mit GNSS-Ambiguitätenfixierung".

Die Herausforderung: Navigieren ohne GPS

Moderne Fahrzeuge nutzen zur Positionsbestimmung verschiedene Sensoren. Dazu zählen GNSS-Empfänger (Global Navigation Satellite Systems, wie z.B. GPS oder das europäische Galileo-System), aber auch Beschleunigungssensoren. Doch was passiert, wenn das GNSS-Signal ausfällt oder extrem fehleranfällig ist – etwa in Tunneln, Häuserschluchten oder Parkhäusern? 

Helfen kann eine Kombination der Sensoren, die so genannte Sensorfusion. Das Problem hierbei: Die realen Sensorfehler entsprechen häufig nicht den Modellannahmen, bspw. „chaotische“ Mehrfachreflexionen von GNSS-Signalen an Hausfassaden. Grundsätzlich ergibt sich dadurch ein Trade-Off zwischen der Verfügbarkeit und der Verlässlichkeit einer hochgenauen Positionierung. Die im Vortrag gezeigten Methoden konnten demgegenüber beide Zielgrößen verbessern.

Der Schlüssel: Enge Kopplung von GNSS-Rohbeobachtungen

Ein Kalman-Filter ist ein mathematischer Algorithmus, der verwendet wird, um den Zustand eines Systems zu über die Zeit fortlaufend zu schätzen, indem er Messungen und Vorhersagen kombiniert. Im klassischen Ansatz, der „losen“ Kopplung, lässt man den GNSS-Empfänger unabhängig eine GNSS-Position bestimmen, und fusioniert diese dann im Kalman-Filter mit den Messungen der anderen Sensoren.

In seinem Vortrag konnte Dr. Becker eindrücklich zeigen, dass eine „enge“ Kopplung hingegen zu deutlich besseren Ergebnissen führen kann: Dabei werden die ursprünglichen GNSS-Beobachtungen (Distanzmessungen zu einzelnen Satelliten) direkt dem Kalman-Filter zugeführt. Die GNSS-Messungen konnten hierdurch in schwierigen Bedingungen besser ausgenutzt werden; gleichzeitig helfen die anderen Sensoren direkt bei der GNSS-Ausreißererkennung.

Reale Tests, reale Erfolge

AlgoNav testete das Verfahren erfolgreich an einem realen 20-Stunden-Datensatz mit widrigsten Umgebungsbedingungen (u.a. dem Frankfurter Bankenviertel). Die Ergebnisse zeigen: Die Technologie ist nicht nur theoretisch vielversprechend, sondern auch in der Praxis robust und zuverlässig.

Die Bedeutung dieser Entwicklung geht weit über klassische Navigationssysteme hinaus: Gerade im Bereich des autonomen Fahrens, aber auch in der Robotik, im Transportwesen, sowie bei Vermessungsaufgaben wir LiDAR-Kartierungen oder Infrastrukturmonitoring ist eine zuverlässige und fehlertolerante Positionsbestimmung essenziell.

Von der Forschung zum Start-up

Dr. Becker, der viele Jahre an der TU Darmstadt im Bereich Navigation forschte, hat mit AlgoNav den Schritt aus der Wissenschaft in die Wirtschaft gewagt. Sein Unternehmen setzt die an der Universität begonnene Arbeit fort – mit dem Ziel, die Navigationstechnologie der Zukunft zu gestalten.

Weiter Informationen zum Fachbereich Informatik finden Sie hier.

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