Hauptcampus

Von der Idee zum Patent

Die Kabelforensiker der Hochschule Trier: Schutzrechte als Motor für neue Industrieprodukte und künftige Forschungen

Im Labor für angewandte Produktionstechnik (LAP) der Hochschule Trier forscht ein interdisziplinäres Team an spezifischen Problemlösungen für die Industrie. Die Arbeitsgruppe aus Bachelor-, Masterstudierenden, Promovierenden, Laboringenieuren und Professoren schafft optimale Bedingungen für eine fächerübergreifende Forschung.

Das interdisziplinäre Team aus Maschinenbauern, Wirtschaftsingenieuren sowie Elektro- und
Automatisierungstechnikern hat sich einer multiphysikalischen Betrachtungsweise verschrieben. Die
akribischen Analysen, bei denen unter anderem optische und elektrische Messtechnik, mechanische
Messungen, werkstoffkundliche Betrachtungen und Temperaturmessungen zum Einsatz kommen,
erinnern an kriminalistische Methoden. Aufgrund dieser minutiösen Vorgehensweise wird das Team
um Prof. Dr. Armin Wittmann auch als „Die Kabelforensiker“ und das LAP als „Kabellabor“
bezeichnet.

Verschiedene Entwicklungen aus dem Labor für angewandte Produktionstechnik sind mittlerweile
erfolgreich als internationale Patente oder Gebrauchsmuster angemeldet worden. Die Schutzrechte
stehen für die Forschungs-, Transfer- und Innovationsstärke der Hochschule Trier. Der rege Wissensund
Technologietransfer aus der Hochschule in die Wirtschaft wird besonders durch die
nachfolgenden ausgewählten Beispiele deutlich.
Im März diesen Jahres wurde für eine sechsstellige Summe die Entwicklung eines
„Präparationswerkzeug“, das als internationales Patent angemeldet wurde, an einen
Werkzeughersteller verkauft. Das ist einer der höchsten Erlöse aus einem Patentverkauf, der an
rheinland-pfälzischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften jemals erzielt wurde.
Hervorgegangen ist diese Erfindung aus der Notwendigkeit, die metallurgischen Probenpräparation,
wie Sie im „Kabellabor“ häufig vorkommt, drastisch zu beschleunigen. Bei der Erprobung erwies sich
das Werkzeug als besonders geeignet, um verschiedenste Verbundwerkstoffe zu separieren, was in
der Industrie millionenfach praktiziert wird. Der Einsatz dieses Instruments, das sich zurzeit noch im
Prototypenstatus befindet, verbessert nachhaltig die Qualität des Prozesses, vermeidet somit
aufwendige und kostenintensive Nacharbeiten und ist für vielfältigen Industrieanwendungen
einsetzbar. Im Rahmen der seit 2010 jährlich stattfinden Kabelkonferenz an der Hochschule, hat ein
Teilnehmer aus der Industrie Interesse an der Entwicklung gezeigt und mittlerweile das Schutzrecht
erworben – Gelder die in die Weiterentwicklung und Forschung einfließen.

Ende 2019 wurden zwei weitere Schutzrechte zu den Themengebieten Kabellebensdauer und
Sensorik angemeldet und anschließend an ein bekanntes Kabel- und Leitungsunternehmen
veräußert. Nach dem Verkauf wurden die deutschen Patente zusätzlich als internationales Patent
angemeldet.

Unser Umfeld wird zunehmend intelligenter: Kühlschränke melden drohende Leere und Kochherde
schalten sich automatisch ein bzw. aus. Dank der o.g. Erfindungen werden vorhandene und
zukünftige Kabel und Leitungen „intelligent“. Die Industrie 4.0 und die daraus resultierende
Vernetzung und Kommunikation setzten diese Entwicklungen voraus, um redundante Systeme und
damit unnötige Kosten zu vermeiden. Der Prozess läuft wie folgt ab: Das Monitoring-System kann
den Verschleißzustand eines Leiters in-situ durch elektrische Messungen bestimmen und somit die
verbleibende Lebensdauer ermitteln. Dadurch wird ein präventiver Austausch überflüssig und die
Wahrscheinlichkeit eines Maschinenausfalls minimiert. Beides trägt zur Ressourcenschonung bei und
erhöht die Betriebssicherheit. Das Anwendungsgebiet ist breit gefächert, da Ausfälle überall dort wo
elektrische Leiter mechanisch-dynamischen Belastungen ausgesetzt sind vermieden werden soll.
Repräsentativ stehen hierfür Schleppkettenanlagen, Roboterleitungen und (Hochspannungs-)
Freileitungen.

Das zweite Schutzrecht umfasst einen Leiter, der als Sensor fungiert und in verschiedene Werkstoffe
und technische Komponenten integriert werden kann, um diese zu überwachen. Einsatzgebiete sind
beispielsweise die Bau- und Automobilindustrie, besonders bei Elektromobilen. Dort werden
zunehmend, um Gewicht einzusparen, Verbundwerkstoffe eingesetzt. Auf diese Weise lässt sich der
„Leitungssensor“ auch in einem anderen Forschungs- und Lehrprojekt an der Hochschule Trier
sinnvoll einsetzen, wie bei dem Projekt proTRon. Als erstes Projekt weltweit wird dort ein komplettes
Monocoque (eine Fahrgastschutzzelle) aus Naturfaserverbundwerkstoff entwickelt. Durch Matching
der mechanischen Eigenschaften von Leiter und umgebenden Material, wird bei Messung der
Zustand des Leiters bestimmt, wodurch der präventive Austausch von Verbundwerkstoffen hinfällig
ist. Außerdem sollen die Leiter weitere wichtige Funktionen wie z.B. den Energietransport parallel zur
Sensorfunktion übernehmen. Dazu hat ein Forschungsverbund am Hauptcampus der Hochschule
Trier im Sommer 2019 erfolgreich einen Forschungsantrag bei der Carl-Zeiss-Stiftung gestellt.

Aus dem Carl-Zeiss-Projekt „Intelligente Verbundwerkstoffe“, das mit einer Summe von 1.000.000
Euro gefördert wird, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Ideen und Schutzrechte
entwickelt. Die Technischen Hochschule Bingen, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-
Nürnberg, die Universität des Saarlandes, verschiedene Industriepartner und die Hochschule Trier
beteiligen sich an diesem Großprojekt, bei dem die Hochschule Trier wesentlich zur
Weiterentwicklung intelligenter Verbundwerkstoffe beiträgt. „Die Zusammenarbeit unterschiedlicher
Bildungseinrichtungen mit Partnern aus der Industrie schafft die Grundlage für angewandte
Wissenschaft. Die daraus resultierenden Synergien wirken sich auch positiv auf die
Standortentwicklung des Hauptcampus der Hochschule Trier aus. Hier soll ein Ort des Forschens und
Arbeitens entstehen, der über das Studium hinausgeht.“ so Prof. Dr. Wittmann.

Noch befindet sich keine entsprechende Forschungsumgebung am Hauptcampus, obwohl dies der
überaus erfolgreichen Forschungsarbeit geschuldet wäre. Ein Innovationszentrum, wo sich aus den
Patenten StartUps gründen und ein passendes Arbeitsumfeld bietet, befindet sich in Planung und ist
Bestandteil der Campusentwicklung am Hauptcampus der Hochschule Trier.

Infos zu den Bildern:
- Anwendung des Dämpfungselements in einer Schleppkettenanlagen im Kabellabor der Hochschule Trier. - Bildnachweis: Philipp Lenz (Hochschule Trier, 2020)

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