Das Automobil als Mythos-Maschine

Design-Objekte führen ein wandlungsvolles Leben: Sie werden gebraucht, sie werden als Schmuckobjekte im Alltag genutzt, stellen Prestige-Zeichen oder Modezeichen dar. In seltenen Fällen avanciert Design zum Sammlungsobjekt und noch seltener zum ikonischen Über-Objekt, dem man eine epochale Repräsentationsmacht unterstellt.

Unzweifelhaft gehört der Citroën DS zu jener Objektwelt, in der einzelne Dinge über ihren Nutzwert hinaus zu Items der Verehrung werden. Die DS gilt als eines der zentralen Design-Schöpfungen, nicht nur im Bereich des Automobilbaus, des  20. Jahrhunderts. Schon 1955, das Jahr der Präsentation auf dem Pariser Autosalon, begann ein Prozess der metaphysischen Aufwertung, der bald dazu führte, dass der mythische, ikonische und künstlerische Charakter der DS außer Frage stand. In der Monografie Mythos-Maschine. Medien- und Kunstgeschichte des Citroën DS wird erstmals diese zweite Existenz – neben dem trivialen Dasein auf der Straße – untersucht.     

Während Design- und Technikhistoriker sowie Automotive-Journalisten den herausragenden Status des Objekts damit begründen, dass in der Mitte der 1950er-Jahre ein neues Autokonzept für Furore und Akzeptanz sorgte, argumentiert die Studie von einer anderen Perspektive aus. Die sachlichen Begründungen können nämlich nicht erklären, was dazu geführt hat, dass geradezu ein ganzer Adorationskomplex um dieses Fahrzeug entstehen konnte, der bis heute anhält. Kaum einmal wird gefragt, was eine Designerfindung zur Ikone macht, während andere unbeachtet bleiben und nicht über die gleiche quasi-religiöse Strahlkraft verfügen.

Die Studie verfolgt von den Anfängen bis heute die vielfältigen Strategien der Bedeutungszuweisung, die Voraussetzung dafür sind, damit ein Objekt über die Alltäglichkeit hinausgehoben werden kann.  Sie argumentiert, dass der moderne Mythos im Zusammenspiel unterschiedlicher medialer Ausdrucksformen entsteht, die keinem einheitlichen Regime der Bedeutungszuweisung gehorchen: Fasst man Mythos nicht als Terminus auf, mit dem allein tradierte Erzählungen bezeichnet werden, deren Ursprung und ursprüngliche Funktion verloren gegangen sind, sondern als symbolisches Mittel der Kulturifizierung, dann wird er als grundlegende anthropologische Dimension erkennbar. Mit ihm werden die Dinge und ihre Verhältnisse in der Welt, der Umgang mit ihnen und ihre Ausstrahlung konditioniert. Aus diesem Grund konnte das Fahrzeug als Übertragungsinstanz einspringen und als Alien-Raumschiff, Gottheit, National- und Revolutionssymbol, Fortschritts- und Feminitätsallegorie sowie als Ausdruck sozialen Aufstiegs mit Komfortgarantie auftreten. Das mythische Objekt ist notwendigerweise durch Unstimmigkeit, durch einen Möglichkeitsreichtum an Adaptierbarkeit gekennzeichnet. Der Mythos kann immer wieder neu erzählt werden und zeigt in den Iterationen ein Potential, von dem er zuweilen selbst berichtet: Metamorphosefähigkeit.

Projektleitung an der Hochschule Trier:

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