Jasmin Schlesiger BFA

Bachelor-Thesis: "RAUMWAHRNEHMUNG. RAUMWAHRNEHMUNG MIT DEN SINNEN UND IMPLIZITE RAUMWAHRNEHMUNG"

Betreuung: Prof. Ute Eitzenhöfer, Levan Jishkariani M.F.A.

"In meiner theoretischen Arbeit habe ich mich mit der Raumwahrnehmung beschäftigt, insbesondere

mit den Sinnen, welche uns „das Wahrnehmen“ _überhaupt erst ermöglichen. Zudem bin ich im

schriftlichen Teil auch intensiv auf die Vorgänge der impliziten Wahrnehmung eingegangen, welche

ich als besonders wichtig empfunden habe, wenn man sich mit der Wahrnehmung von räumlichen

Situationen beschäftigt.

Die implizite Wahrnehmung ermöglicht uns auch unsere Fantasie ungefragt zu nutzen, hier kommt

sie also ganz unauffällig bei jedem Menschen zum Einsatz. Doch natürlich benötigt die Fantasie

immer Vorinformationen, welche sie verarbeiten kann, diese wiederum werden mit den Sinnen

aufgenommen. Die Informationen werden dann in unserem Unterbewusstsein verarbeitet und

Zusammenhänge wie auch Kompositionen von Formen erkannt und eventuelle Schlussfolgerungen

gezogen. Überraschendes entsteht also, wenn die Ideen unserer impliziten Wahrnehmung nicht

zutreffen. Raumgefüge, die wir uns schon konstruiert haben in unseren Gedanken, mit Hilfe von

Vorinformationen sowie Wissen und Erfahrung, überraschen uns dann, wenn unsere Vorstellungen

nicht der Wahrheit entsprechen. Jedoch nehmen wir diese Reize dann auch schnell wieder als

Informationen auf und bei der nächsten Wahrnehmung sind sie schon zu Erfahrungen geworden.

In meiner Arbeit habe ich mich im Zusammenhang mit meiner theoretischen Arbeit auch damit

beschäftigt, warum ich den Schmuck als Medium zum Schärfen unserer Sinne bezüglich der

Raumwahrnehmung besonders spannend finde. Dabei war ein wichtiger Punkt die Bewegung,

welche auch erst durch das Vorhandenen sein von Raum ermöglicht wird. Denn in diesem Fall

befindet sich das Werk selbst sowie auch der Betrachter in Bewegung und dadurch entsteht eine

noch viel flexiblere Perspektive. Das ist ein Aspekt, der mir sehr spannend erscheint, weil dann der

Raum zwischen einzelnen Teilen der Stücke scheinbar variiert, sowie der Raum zwischen Betrachter,

Träger und Schmuckstück flexibel wird. Des Weiteren gibt es noch einen, zwar teilweise, aber nicht

aus jeder Perspektive sichtbaren Raum zwischen Träger und Stück, welcher sehr intim aufgeladen

sein kann.

In meinen praktischen Arbeiten habe ich mich aber teilweise nicht nur mit dem reellen

Zwischenraum zwischen Schmuckstück und Träger beschäftigt, sondern eben auch intensiv mit dem

Fall eines nicht vorhandenen Zwischenraumes. Ein Versinken des Körpers im Körper. Ein sehr

spannender Ansatz, in dem ich auch auf jeden Fall noch weiteres Potential für theoretische und

praktische Forschungen sehe, und ihn auch noch weiter erforschen möchte. Was passiert, wenn ich

einen geometrischen Körper einlasse in den organischen menschlichen Körper, welcher im Gegensatz

zum geometrischem Raum sehr undefinierbar, unstabil und verletzlich wirkt. Ein Thema, welches

mich vermutlich auch in Zukunft beschäftigen wird, ist das IDEAL. Ich denke in diesem Begriff einige

meiner neuen Ansätze erkennen zu können, insbesondere bei der Beschäftigung mit dem Phänomen,

der auf mich anziehenden Geometrie und der abstoßend wirkenden organischen Formen und

Funktionen.

Im Zusammenhang mit der Verschmelzung dieser beiden Teilgebiete spielt natürlich auch die

implizite Wahrnehmung eine große Rolle. Denn ein Eindringen eines geometrischen materiellen

Körpers ist doch meistens mit Schmerz (übrigens auch ein faszinierendes Raumwahrnehmungsmittel)

verbunden.

Die implizite Wahrnehmung hat mir auch geholfen nicht nur mit ausgefüllten geometrischen Formen

zu arbeiten, sondern auch die Kontur als Hilfsmittel zu nehmen. Die Kontur kann als Tiefenhinweis

der Extraklasse gesehen werden, da sie selbst schon mit der impliziten Wahrnehmung verbunden ist.

Sie ermöglicht es uns, geometrische Körper mit einer dreidimensionalen Linie darzustellen, und

obwohl unsere implizite Wahrnehmung nicht benötigt wird, um uns Kanten dazu zudenken, da wir

diese schon alle visualisiert haben, können wir einen nicht materiellen Körper erkennen.

Linien werden von unserer impliziten Wahrnehmung gerne ergänzt oder verbunden. Doch manchmal

sehen wir einen Verbindung, die gar nicht wirklich möglich ist, wie zum Beispiel eine geschwungene

Linie (materiell gesehen ein Draht), welche durch ein Stück Holz verläuft, doch dann wird uns auch

schnell bewusst, dass dies ja gar nicht wirklich möglich sein kann.

Die meisten meiner Arbeiten beschäftigen sich somit mit Beziehungen zwischen den positiven

materiellen, den negativen luftleeren Räumen und den angedeuteten Räumen. Viel an der

Wahrnehmung dieser Arbeiten wird durch implizite Wahrnehmung geschehen, die Beziehungen

werden schon lange wahrgenommen, bevor sie in unser Bewusstsein gelangen."

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