Jugendraum Blaufabrik

Masterthesis
Marie-Claire Harnasch

Betreuer & Aufgabenstellung
Prof. Sanna Leppäkoski

Projekttyp
Abschlussarbeit Master, Fachrichtung Innenarchitektur
Sommersemester 2025

Wiederbelebung der ehemaligen Blaufabrik

Hintergrund

Der Umgang mit leerstehenden Industriearchitekturen vergangener Epochen stellt eine aktuelle und zugleich besondere Gestaltungsaufgabe für die Architektur des 21. Jahrhunderts dar. Orte, wie das Gelände der ehemaligen Blaufabrik — einst Produktionsstätte der international exportierten Farbe Preußisch Blau — sind als Zeugnisse der Industriegeschichte zu erhalten und sichtbar zu machen. Vor diesem Hintergrund wird das jahrzehntelang brachliegende Gelände nun wieder in das Stadtgeschehen in Sulzbach (Saar) eingebunden.

Es entsteht ein lebendiger Ort, der sich gezielt an die junge Bevölkerung richtet, denn Jugendliche werden in klassischen Stadtentwicklungskonzepten nicht selten zu wenig berücksichtigt. Eine Ortsanalyse konnte zeigen, dass es in Sulzbach an öffentlich zugänglichem Freiraum fehlt, der sich dediziert an Jugendliche richtet. Diese Lücke schließt das neu angelegte Areal.

Nach dem Abriss weiter Teile der Blaufabrik im Jahr 2021 konnte nur noch die Ruine der ehemaligen Hauptfabrikhalle bewahrt werden. Diese wird nun als Zentrum innerhalb des neuen Geländes inszeniert. Neue hinzugefügte Baukörper greifen die Dimensionen und
Strukturen der einstigen Gebäude auf und zitieren Elemente wie die Stützen der alten Halle.

Der vormals industriell genutzte Ort wird der Öffentlichkeit neu zugänglich gemacht — eingebettet in die Natur, am Rand des Waldes und unmittelbar angebunden an Wanderwege wie den „Pfad der Industriekultur“. Neben dem Nutzungsangebot für Jugendliche vermittelt eine Installation die Geschichte und Bedeutung der Blaufabrik für Sulzbach und die Region. So können nicht nur Jugendliche, sondern auch Wanderer
und kulturinteressierte Besucher die Blaufabrik wiederentdecken.

Das Areal verbindet unterschiedliche kulturelle Ebenen: Industriekultur, Jugendkultur und die nachhaltige Entwicklung. Mit der Umnutzung zuvor brachliegender Flächen und dem Einsatz ressourcenschonender Bauweisen wird die Blaufabrik zu einem Symbol für zukunftsorientierten Umgang mit Bestand und Raum.

Materialien die Aneignung fördern

Das eingesetzte Materialkonzept der Korkwände unterstützt gezielt den Aneignungsprozess durch die Jugendlichen. Die Beschaffenheit der Oberfläche ermöglicht es, eigene künstlerische Arbeiten, Bilder oder Plakate unkompliziert und spurenlos anzubringen und wieder zu entfernen. Dadurch wird ein flexibel nutzbarer Raum geschaffen, der zur aktiven Mitgestaltung einlädt und sich kontinuierlich an die Bedürfnisse und Ausdrucksformen der Nutzer anpassen kann.

Wilde Natur als Teil der Gestaltung des Ortes

Die gezielte Integration wilder, naturnaher Elemente in die Gestaltung des Ortes schafft für Jugendliche einen Freiraum, der zum Entdecken, Gestalten und Verweilen einlädt. Durch bewusst ungestaltete bzw. behutsam strukturierte Bereiche entsteht ein autonomer Raum, der Eigeninitiative fördert und gleichzeitig vielfältige sinnliche Erfahrungen fernab von Smartphones ermöglicht.

Zwangloses Verweilen & aktivitätslose Betriebsamkeit

In die Holzstruktur integrierte Sitzgelegenheiten schaffen ein einladendes, informelles Angebot zum Verweilen. Sie fügen sich nahtlos in das architektonische
Gesamtbild ein und bleiben dauerhaft nutzbar – unabhängig von Veranstaltungen oder einer aktiven Betreuung vor Ort.

Überdachter Aussenraum

Das Verweilen wird zusätzlich durch das großzügige Angebot überdachter Außenbereiche gefördert, sodass das Areal bei jeder Wetterlage und ganzjährig genutzt werden kann. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leisten auch die weit auskragenden Dachüberstände über den Terrassenbereichen, die wirksamen Schutz vor Witterung bieten und den Innenraum nach Außen funktional erweitern.

Ehemalige & neue Blaufabrik

Die statische Struktur der ehemaligen Fabrikhalle wurde im neuen Konzept aufgegriffen. Höhen der ursprünglichen Halle wurden übernommen, um die
räumlichen Dimensionen und die gestalterische Wirkung des einstigen Bauwerks im neuen Ensemble erlebbar zu machen.

Das ehemalige Sprengwerk des Dachstuhls wurde dabei nicht einfach kopiert, sondern in einer zeitgemäßen Interpretation umgesetzt. Ein modernes Sparrendach
mit Zangenkonstruktion und Stahlseilen als Zugelemente übernimmt heute die statische Funktion und verleiht dem Raum zugleich eine neue, eigenständige
architektonische Identität und Atmosphäre.

Kollaborative Raumgestaltung

Die Architektur des Jugendraums Blaufabrik wurde nicht nur für, sondern gemeinsam mit Jugendlichen entwickelt. Es entstehen Räume, die ihre aktive Beteiligung an der weiteren Gestaltung des Ortes ermöglichen und fördern. So wird die neue Blaufabrik zu einem Ort, an dem Jugendprojekte initiiert, gestaltet und weiterentwickelt werden — das Areal wird zum Beispiel für gelebte Mitbestimmung und Teilhabe.

Darüber hinaus werden zuletzt verstärkt Partizipationsprojekte im Sinne der nachhaltigen Entwicklung initiiert, die Jugendlichen die aktive Mitgestaltung ihrer aktuellen und zukünftigen Lebenswelt ermöglichen. Die neuen Gebäude der Blaufabrik bieten dafür ebenfalls den notwendigen Raum und die Infrastruktur für vielfältige Formate und Workshops.

(Text: Marie-Claire Harnasch)

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