Wohnen in Symbiose - Potentiale von Pflanzen in der Architektur

Preisträger/in BDA-Studienpreis Rheinland-Pfalz 2021
Frank Burrelbach
Marie Schillo

Betreuer
Prof. Dr. Susanne Bennewitz
Prof. Jan-Hendrik Hafke
Prof. Frank Kasprusch
Prof. Petra Riegler-Floors

Projekttyp
Preis

Im Rahmen einer Studienarbeit soll der Baukörper eines Quartiers im jungen Entwicklungsgebiet im Stadtgebiet von Madrid, Las Tablas, entworfen werden. Als Grundlage dient ein im vorangegangenen Semester erarbeitetes städtebauliches Konzept. Die prägende Blockrandbebauung, wurde aufgenommen und neu interpretiert. Anstatt die weitläufigen Zwischenräume der Blöcke dem Verkehr unterzuordnen, sollen diese für großzügige Park-, Freizeit- und Gartengestaltungen Platz bieten. Die Begrünung der Zwischenräume soll sich auch an den Fassaden der neu konzipierten Blöcke wiederfinden. Der Fokus des städtebaulichen Entwurfs liegt auf einer nachhaltigen Wohnsiedlung, die die Umgebung durch unterschiedliche Nutzungen und Bepflanzungen bereichern und ergänzen soll.

Für den im Entwurf ausgewählten Baukörper wurde im städtebaulichen Konzept eine Wohn- und Marktnutzung vorgesehen. Im Sockel des Gebäudeblocks befindet sich die Markthalle, die eine flexible Raumnutzung ermöglicht. Auf einem Split-Level befinden sich Restaurants und Cafés, die sich zur benachbarten Wohnsiedlung orientieren und den entstandenen baulichen Zwischenraum beleben sollen. Über das Straßenniveau erhebt sich ein halböffentlicher Innenhof, der von allen Bewohnern genutzt werden kann. Hier befindet sich eine großzügige Außenfläche, die zur kollektiven Gartennutzung animieren soll. Um diesen herum, orientieren sich verschiedene gemeinschaftliche Nutzungen wie eine Großküche, ein Café mit Arbeitsplätzen, ein Waschraum, Fahrradstellplätze, Sharing- und Gefrierraum sowie großzügige Räumlichkeiten für die Versorgung und Pflege der Vegetationsflächen. An das Gemeinschaftsgeschoss anschließend befinden sich die Wohngeschosse, die über zwei freistehende, außenliegende Erschließungstürme über den Innenhof erreicht werden. Angelehnt an die historischen Madrider Korridorhäuser, erfolgt die Erschließung der Wohnungen über eine umlaufende Steglandschaft. Außerdem sollen die Stege auch als Kommunikations- und Aufenthaltsflächen dienen und weiteren Platz für den Anbau kleinerer Gewächse bieten. Um einen ökologisch angemessenen Flächenverbrauch zu gewährleisten, befinden sich in den Gebäuden überwiegend Gemeinschaftswohnungen sowie Single-Wohnungen mit einer Größe bis zu 30 m² pro Person. Die Wohn- und Aufenthaltsbereiche der Gemeinschaftswohnungen orientieren sich zum Innenhof und unterstützen die Kommunikation zwischen den Anwohnern. Die privaten Schlafräume sind an der äußeren Fassade angeordnet, um auch die Möglichkeit des Rückzugs zu gewährleisten.

Um das Konzept der Gebäudebegrünung konstruktiv und ästhetisch umzusetzen, werden verschiedene Potenziale durch Bepflanzungen analysiert und eine Methode entwickelt, um Pflanzen gezielt nach den Anforderungen des Gebäudes einsetzen zu können. Durch das Angebot botanischer Vielfalt, können gebäudetechnische Systeme und damit Ressourcen sowie Energie eingespart werden. Dies unterstützt den Low-Tech Ansatz des Entwurfes. Zudem sollen verschiedene Anbauflächen zur Selbstversorgung der Bewohner beitragen. Um Pflanzen nach speziellen Anforderungen auswählen zu können, müssen die Umweltfaktoren bestimmt werden. Mittels einer präzisen 3D-Analyse des Baukörpers, ist es möglich verschiedene Belichtungszonen (Sonne, Halbschatten, Schatten) an den Fassaden, den Stegen und im Innenhof zu visualisieren und eine Verschattung durch benachbarte Gebäude zu berücksichtigen. Aus verschiedenen Datenbanken haben wir Pflanzen in einer Liste zusammengetragen, die für die Gebäudebegrünung geeignet sind und sich nach verschiedenen Eigenschaften filtern und sortieren lassen. So lassen sich für verschiedene Anwendungsbereiche wie bspw. extensive Dachbegrünung, wandgebundene Begrünung oder Pflanzgefäße an der Fassade, eine Übersicht möglicher Bepflanzungen generieren. Unter Einbezug weiterer Daten und Standortfaktoren wie Klimaklassifikation, Winterhärtezonen, Niederschlag und Belichtung wird die Auswahl präzisiert. Für die jeweiligen Nutzungs- und Wartungsanforderungen können Pflege- und Bewässerungsaufwand als Parameter einbezogen werden. Für einen ästhetisch anspruchsvollen Einsatz von Begrünungen ist eine ganzjährige Betrachtung des Vegetationverhaltens notwendig. Verschiedene Laubphasen (bspw. sommergrün, immergrün, etc.) müssen beachtet werden, um die gewünschten Potenziale der Begrünung zu erreichen. Zudem kann die Auswahl auch nach Blütenfarbe, Blattform und -farbe oder dem Wuchsverhalten erfolgen. Durch diesen Prototypen können Pflanzen bewusst als Gestaltungselement eingesetzt werden. Eine selbstständige Architektursprache entsteht, die dem Gebäude Charakter verleiht, welche sich mit den Jahreszeiten verändert.

Resultat unserer vertiefenden Ausarbeitung ist ein prototypischer Leitfaden, um Pflanzen künftig im Entwurfsprozess zielführend und gestalterisch einzusetzen. Über einen QR-Code ist eine digitale Version des Leitfadens einsehbar mit exemplarischen Auszügen der Pflanzliste für die spezifischen Gebäudesituationen.

Beurteilung der Jury - BDA-Studienpreis Rheinland-Pfalz 2021
Ein Gebäude, das grünt. Im Entwurf der Studierenden, einem mehrgeschossigen Wohnungsbau in Holzbauweise für den Madrider Stadtteil Las Tablas, wuchern Pflanzen konstruktiv. Als gestaltendes Element, Verschattungsvehikel, Feinstaubfilter, Lärmminderer, Wasserspeicher, Kühlung, natürliches Upgrade der menschlichen Daseinsbedingungen unter anderem im zur kollektiven Nutzung konzipierten Garten. Auch Insekten dürften sich in dem bebauten Areal zuhause fühlen. Der Planprozess für diesen Prototyp gleicht einer fachübergreifenden Studie über den zielgenauen Einsatz des Floralen im Architektonischen, bei der etwa Standortfaktoren und Klimaklassifikationen korreliert wurden. Am Ende steht ein Leitfaden für Planende mit den entsprechenden Parametern und einer Pflanzliste für die verschiedenen Gebäudesituationen. Mit einem QR-Code ist er exemplarisch und digital einzusehen. Eine Studienarbeit als fundierte Inspiration.

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