Urban Mining Student Award 2024/25: Innovative Konzepte für eine nachhaltige Zukunft
Die bergische Universität Wuppertal ruft regelmäßig im Rahmen des Urban Mining Student Award einen Wettbewerb aus, der darauf abzielt, Konzepte, Ideen und Strategien zur Förderung einer konsequenten Kreislaufwirtschaft zu entwickeln. Die Teilnehmer sollen Entwürfe und Konstruktionen für Neubauten, Umbauten und Erweiterungen unter besonderer Berücksichtigung der Umwelt- und Ressourcenschonung erstellen.
Emsinsel Warendorf - Umnutzung einer urbanen Industriemine
Die Wettbewerbsaufgabe besteht darin, mehrere Hallen entlang der "Kulturachse" des neuen Quartiers auf der Emsinsel in Warendorf umzunutzen. Die Hallen sollen Platz für offene Werkstätten, Räume für Co-Working, Galerien oder ein Radrepair-Café bieten. Zwei zentral gelegene Hallen sollen in Gemeinschaftswerkstätten, Büros und Wohnateliers umgeplant werden. Die Teilnehmer sollen innovative Konzepte entwickeln, die räumliche und organisatorische Synergien nutzen, um vielseitige Qualitäten für eine diverse Bewohnerschaft zu schaffen. Ein Bauteilkatalog aus einem studentischen Pre-Demolition-Audit wird zur Verfügung gestellt, um Materialien aus dem (Teil-)Rückbau in die Entwürfe zu integrieren.
Master-Studierende gewinnen den 2. Platz beim Urban Mining Student Award!
Phil Speer und Jonas Müller gewinnen mit ihrem Projekt „patch-work“ beim diesjährigen Urban Mining Student Award zum Thema „Emsinsel Warendorf – Umnutzung einer urbanen Industriemine“
Die Jury lobt die Arbeit: Den Verfassenden gelingt eine sehr atmosphärische Arbeit mit einer starken Detailtiefe. Durch das Fortschreiben der vielfältigen Dachlandschaften greift die Arbeit neben dem Urban Mining räumliche Aspekte auf und führt diese stimmig zu einer Gesamtkonstruktion. Die Verfassenden orientieren sich am städtebaulichen Entwurf, setzen sich aber dafür ein, dass durch Erhalt eines weiteren Achsmaßes im Norden des Areals noch mehr Substanz erhalten und umgenutzt wird. Die Jury lobt das Weiterbauen vorhandener Strukturen und den durchdachten Einsatz von wiederverwendeten Bauteilen.“
Der Entwurf entstand im Rahmen des Vertiefungsprojektes im 3. Mastersemester im WiSe 2024/25 unter der Betreuung von Prof. Petra Riegler-Floors.
Genauere Infos und Unterlagen sind zu finden in unserer Projektgalerie oder im Netz auf wettbewerbe-aktuell und urbanminingstudentaward
Preisträger*innen
2. Preis - Urban Mining Student Award
Phil Speer, Jonas Müller
Betreut durch
Prof. Petra Riegler-Floors
Lehrgebiet Zirkuläres Bauen, Konstruktion und Material
Modul:
MA - Vertiefungsprojekt
Projektbeschreibung "Patchwork" - Speer und Müller:
Ein neues produktives Quartier aus wiederverwendeten Bauteilen der ehemaligen Brinkhaus-Textilfabrik.
Patchwork, eine Nähtechnik bei welcher verschiedene übergebliebene Textilstücke zu einem großen Ganzen verbunden werden.
Ebenso wie das Textil, interpretiert das Konzept den Gedanken des Zusammenfügens einzelner heterogener Teile zu einem neuen Ganzen. Verschiedene Nutzungen und Gebäudetypen werden, unter den Leitthemen von Produktion und Kommunikation, in einem Quartier vereint. Die Gebäude / Patches stellen dabei leere Hüllen dar, welche mit Räumen für alle Generationen und verschiedenste Interessengruppen gefüllt und belebt werden.
Städtisches Patchwork
Städtebaulich ergänzt das Brinkhaus-Quartier die bestehenden Strukturen Warendorfs, ohne diese in Frage zu stellen oder Konkurrenz zur historischen Altstadt zu schaffen. Das Quartier spricht daher keine spezifische Zielgruppe an und bildet einen Lebensraum für Bewohner, Warendorfer und Gäste aus Nah und Fern. Die Emsinsel wird für alle geöffnet und ergänzt einen bisher fehlenden Patch im städtebaulichen Gewebe Warendorfs. Ein Quartier für alle. Der Bestand bleibt erhalten und die Qualitäten der ursprünglichen Textilfabrik werden in den Vordergrund gerückt. Der Neubau setzt die inhomogene Dachlandschaft des Bestands fort und ergänzt diese um einen weiteren Typus, welcher gleichzeitig einen Akzent zum Emsradweg setzt.
Soziales Patchwork
Verschiedene Nutzungen werden sowohl im Quartier als auch in den einzelnen Gebäuden zusammengeführt, unter dem Leitbild eines inklusiven, produktiven Quartiers für alle Generationen. Wohnen, Arbeiten und Leben stehen im Dialog, profitieren voneinander und schaffen Synergien mit dem Ziel die Kulturachse zu beleben und als produktiven Quartiersmittelpunkt sichtbar zu machen, ohne dabei Konkurrenz zur Altstadt oder dem neuen Stadtplatz herzustellen. Eine ausgewogene Durchmischung zukunftsfähiger Arbeitsformen von Büro über Handwerk bis zu künstlerischen Studios in Verbindung mit breitgefächerten Wohnformen im selben Quartier erfüllt den Bedarf Warendorfs. Die Resultate dieser verschiedenen Arbeiten werden im neuen multifunktionalen Quartiers-Pavillon der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Fokus liegt ebenso auf Gemeinschaftsflächen welche die verschiedenen Nutzergruppen als ‚soziales Patchwork‘ zusammenbringen. Neben Wohnen in Verbindung mit Arbeiten, Nutzungssynergien und einer ausgewogenen Durchmischung von Bewohnern und Gästen Warendorfs, ist somit auch das Zusammenbringen dieser Menschen ein Leitthema.
Räumliches Patchwork
Der Bestand der Textilfabrik wird nahezu vollständig erhalten und dient als großflächige Hülle für die neuen Funktionen, ohne diese aber räumlich zu definieren. Die funktionalen Räume entstehen durch neue Bauteile in Form von Raummodulen, faltbaren Wänden oder Textilvorhängen. Der Eingriff in den heterogenen Bestand bleibt so gering und das Gebäude kann sich auch an zukünftige Bedürfnisse anpassen. Auch im Neubau setzt sich der Gedanke von Flexibilität und Umnutzbarkeit fort. Die Hülle wird durch das wiedervewendete Tragwerk der ursprünglichen Energiezentrale der Fabrik hergestellt. Weiterverwendete Bahnschienen stellen eine flexibel skalierbare Geschossdecke her, so bleibt der Raum mit geringem Aufwand an den zukünftigen Bedarf anpassbar. Die höheren Lasten durch die Aufstockung des Tragwerks werden mittels eines neu konfigurierten Stahl-Holz-Hybrid-Fachwerks aus wiederverwendeten Bauteilen aufgenommen. Das Volumen im Bereich des Fachwerks wird gleichzeitig als Geschoss genutzt. Über eine Aufstockung aus weitergenutzten Tunnelbau-Schalungen entsteht ein zusätzliches Dachgeschoss, welches im Gebäudeinneren erschlossen wird. Die notwendige Vertikalerschliessung wird als Laubengang und gleichzeitig Terrasse davorgestellt. Das beheizte Volumen bleibt so kompakt und im Gebäudeinneren können an beliebigen Positionen Geschossverbindungen hergestellt werden.
Materielles Patchwork
Bestand, Wiederverwendung und Neubau treffen sowohl konstruktiv als auch gestalterisch aufeinander. Die historischen Spuren des Bestands treffen auf gefundene Bauteile aus verschiedenen Gebäuden, Funktionen sowie Materialitäten und diese wiederum auf neue Bauteile aus nachwachsenden Baustoffen. Es entsteht ein Patchwork verschiedener Materialien aus verschiedenen Zeitaltern.
Bauteil Patchwork
Eine kreislaufgerechte, sortenrein rückbaubare Konstruktion mit hohem Bezug von Bauteilen aus der urbanen Mine wird obligatorisch. Der Rückbau der Brinkhaus Fabrik bringt einen inhomogenen, breitgefächerten Bauteilkatalog mit sich. Hier werden überwiegend Stahlträger zum neuen Tragwerk und Ausbauelemente wie Trapezblech oder Gitterost wiederverwendet. Einige spezifische Elemente wie Stahl-Aktenschränke welche zu vertikalen Gärten umfunktioniert werden oder schlecht erhaltene betonierte Stahlrundstützen, als neue Straßenbeleuchtung verwendet, erhalten die Historie der Fabrik auch auf den ersten Blick am Leben. Zusätzlich werden Bauteile aus weiteren Rückbau-Objekten im direkten Umfeld bezogen. Aus Warendorf selbst, der ehemaligen zum Rückbau vorgesehenen Gallitzin-Passage, kommen überwiegend Fassadenelemente, Fenster und Türen. Der Katalog an Fenstern wird mit Elementen aus einer Hauptschule in Wipperfürth und einem ehemaligen Hotel in Osnabrück erweitert. Einige individuellere Bauteile wie z.B. Dachfenster, Meeting-Boxen oder eine Wendeltreppe wurden auf Bauteilbörsen gefunden. Im Neubau kommen zusätzlich verschiedene Bauteile aus dem Infrastrukturbau zum Einsatz. Stillgelegte Bahngleise werden als Deckenkonstruktion wiederverwendet, Gewölbeschalungen aus dem Radweg-Tunnelbau werden als Tonnendach Konstruktion genutzt und alte KFZ-Kennzeichen Decken die runden Dächer.
Wiederverwendung Bahngleise
Das Schienennetz der deutschen Bahn umfasst derzeit eine Streckenlänge von rund 38.400 km. 5.400 km davon sind derzeit stillgelegt und warten auf Rückbau oder Reaktivierung. Warendorf, zwischen Münster und Bielefeld, liegt im zentralen, Haupt-Streckennetz der Bahn und somit auch direkt am Baustofflager. Die stillgelegten, abgenutzten Schienen werden dazu auf der Strecke gereinigt, auf Länge geschnitten und anschließend per Bahn oder LKW nach Warendorf transportiert. Vor Ort werden diese mit Kopfplatten zur Lagesicherung verschweißt. Als übliches, derzeit in Sanierung befindliche Bahngleis gilt der Typ S49, welcher hier als Basis verwendet wird. Gegenüber üblichem Baustahl betstehen Bahnschienen aus hochfestem Stahl mit einer zwei- bis dreimal höheren Stahlhärte. Die Schienen haben dadurch ein höheres Eigengewicht, können jedoch auch weiter Spannen. Die Hauptträger sind dabei doppelte, gespiegelt verschweißte Schienen.
Holz-Stahl-Hybrid Fachwerkträger
Um eine Aufstockung des Tragwerks der Energiezentrale zu ermöglichen, müssen primär die horizontalen Träger verstärkt werden. Um die hohe Flexibilität des Hallenbaus zu erhalten, wird von Stützen abgesehen. Die wiederverwendeten Brettschichtholzträger werden der Länge nach geschnitten und mittels wiederverwendeter Stahlträger zu einem ressourceneffizienten, hybriden Fachwerkträger. Die Stahlträger werden passend für die Fachwerkstäbe zugeschnitten und können daher verschiedene Profile und Abmessungen haben. Der heterogene Bauteilkatalog kann so bestmöglich im Tragwerk genutzt werden.
Tunnelschalung
Charakteristisch für die bestehende Brinkhaus Fabrik sind unter anderem die verschiedenen Gebäudetypologien mit einer Bandbreite an verschiedenen Dachformen. Um den Quartierscharakter zu erhalten, soll diese Qualität auch im Neubau fortgesetzt werden. Für die Aufstockung des Hallentragwerks werden daher Tunnelbau-Gewölbeschalungen aus Holz genutzt, welche etwa im Radwegsbau üblich sind.
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